Frequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)
F:
Ist es nicht "gefährlich"
sich auf einen Streit einzulassen?
A:
Streit muss nicht trennen — Streit kann ein
eleganter verbaler Schlagabtausch sein.
Streit kann jedoch auch zu einem groben Gefecht führen; nachdem sich der „Pulverdampf" verzogen hat, bleibt dann oft nur noch ein Scherbenhaufen zurück. George Bach und Peter Wyden (1983), die seit Jahren Veranstaltungen zürn Erlernen fairen Streitens - sogenannte Streit-Trainings - anbieten, vertreten die Auffassung: Streit kann zwar trennen, ein richtig ausgetragener Streit führt jedoch eher zur Festigung einer zwischenmenschlichen Beziehung.
Stellen Sie sich als Kontrast einmal vor, Sie müssten mit einem Partner zusammenleben, der zu allem ja und amen sagt. Gegenseitige „Reibung" kann auch „Funken" erzeugen, die — wenn sie überspringen — die Spontaneität und Lebendigkeit einer Beziehung positiv beeinflussen können.
— Richtig streiten heißt: Die Regeln der Fairness achten — Beleidigungen und „Tiefschläge unter die Gürtellinie" sollten tabu sein. Rufen Sie laut „foul", wenn Ihr Streitpartner Sie unfair attackiert.
- Versuchen Sie, eigene aggressive Spannungen unschädlich abzureagieren (Fäuste ballen, aufstampfen, starke körperliche Anstrengungen,...). Wenn Sie in der Lage sind, sich auf Kommando - d. h. wenn Sie sich Ihr Entspannung Signal gegeben haben - zu entspannen, können Sie den Aggressionen anderer Menschen gelassener begegnen bzw. Sie können gegebenenfalls eigene aggressive Gefühle soweit im Zaum halten, dass nicht spontan-aggressives Verhalten daraus entsteht. Sie gewinnen dadurch Zeit und Ruhe, sich ein der jeweiligen Situation angemessenes Handeln zu überlegen.
— Fühlen Sie sich bei aggressiven Verhaltensweisen Ihrer Mitmenschen möglichst nicht persönlich gekränkt und beleidigt. Denken Sie daran, dass es dem Aggressor häufig um die Durchsetzung außeraggressiver Ziele geht und, dass — nach tiefenpsychologischer Sichtweise - Aggressionen „verschoben" werden können, d. h., dass Sie, stellvertretend für andere, als Adressat für Gewalttätigkeiten fungieren können.
Zeigen Sie bei begründeten Ärger-Aggressionen Ihrer Mitmenschen Verständnis; sagen Sie, dass auch Sie sich in einer entsprechenden Situation sehr ärgern würden. Anerkennen Sie die (nicht-aggressiven) Qualitäten anderer Menschen.
— Fragen Sie sich, ob ein konkreter Anlass es wert ist, sich darüber aufzuregen. Würde Sie ein ähnlicher Vorfall nach einem Jahr noch genauso irritieren? - Wenn Sie - etwa durch zu wenig Schlaf - schon gereizt sind, ärgert Sie u.U. bereits eine Fliege an der Wand. Vielleicht wollen Sie sich unbewusst sogar aufregen, um sich als Leidtragender der „bösen" Umwelt zu erleben; „Sündenböcke" sollen von eigenem Fehlverhalten ablenken.
Bemühen Sie sich, gegen Aggression und Unterdrückung durch andere, passiven Widerstand zu leisten, damit der Aggressor für sein Verhalten nicht belohnt wird. Das Befolgen der Maxime: „Angriff ist die beste Verteidigung", leitet oft eine Kettenreaktion der Gewalt ein. Beschäftigen Sie sich gedanklich mit den Zielen, die Sie erreichen wollen und mit den Strategien, die Sie dabei anwenden können. Versuchen Sie bezüglich Ihres Durchsetzungsverhaltens Alternativen zu finden. Streben Sie flexible Mini-Veränderungen an und verzichten Sie auf maximale Veränderungsforderungen.
Nicht immer ist Reden Silber und Schweigen Gold. Sagen Sie offen, ehrlich und fair, was Ihnen nicht passt oder was Sie ärgert.
Führen Sie keine Auseinandersetzung ohne Ankündigung und Vorwarnung - sozusagen aus dem Hinterhalt. Verständigen Sie sich mit ihrem Partner auf einen Zeitpunkt, der Ihnen beiden passt und sprechen Sie die Gesprächsdauer vorher ab. Beschränken Sie sich auf die Mitteilung von Wahrnehmungen und Beschreibungen; vermeiden Sie Deutungen, Interpretationen und Analysen. Geben Sie Vermutungen nicht als Behauptungen aus.
Wie Sie wissen, hat jeder Mensch seine „Achillesferse". Wenn Sie diesen wunden Punkt Ihres Streitpartners kennen, müssen Sie sich genau überlegen, ob Sie dort den „Hebel" ansetzen wollen; es könnten tiefe „Narben" zurückbleiben. Wenn ein Streit zu eskalieren droht. . . Gewinnen Sie zeitliche und räumliche und damit auch psychische Distanz zum affekthaften Geschehen, indem Sie zum Beispiel zu Ihrem Kontrahenten sagen: „Offensichtlich sind wir im Augenblick beide nicht in der Verfassung, die Sache in Ruhe auszutragen. Wollen wir nicht — jeder für sich - bis morgen einmal über die Angelegenheit nachdenken? Vielleicht können wir dabei einen Weg finden, auf dem wir in dieser Sache weiterkommen können."
Statt sofort zornig auf einen Vorfall zu reagieren, können Sie sich etwas emotionale Distanz dadurch schaffen, dass Sie zunächst einmal auf zehn zählen. Nach einer Pause, in der sich die Erregung etwas gelegt hat, kann man in einer sachlichen Atmosphäre über die Ursachen des Streits sprechen und man kann gemeinsam nach Lösungen für den Konflikt suchen und diese auf ihre Angemessenheit und ihre Durchführbarkeit hin bewerten. Denken Sie in diesem Zusammenhang daran:
. . . Eigene Argumente prüfen
. . . Sachlich bleiben
. . . Schimpfworte vermeiden
. . . Gegenseitige Standpunkte festhaken — Wenn jemand sehr wütend auf Sie ist und Sie anschreit, könnten Sie folgendermaßen vorgehen:
. . . Bestätigen Sie Ihrem Kontrahenten ruhig und selbstsicher: „Ich höre Sie und ich weiß, dass Sie zornig auf mich sind". Unter Umständen verringert sich dadurch die Aufregung des Wütenden bereits so weit, dass Sie über die Problematik reden können.
. . . Wenn Ihr Gegenüber weiter tobt, so sagen Sie selbstbewusst und eindringlich zu ihm: „Ich würde gerne mit Ihnen sprechen; ich kann es aber nicht, wenn Sie so brüllen. Wenn Sie sich beruhigt haben, stehe ich gerne zu einer Aussprache zur Verfügung“.
Diese Äußerung können Sie unter Einsatz der Technik „Schallplatte mit Sprung" solange wiederholen, bis sich die Wut des anderen gelegt hat. Hören Sie ihm anschließend aktiv zu, bevor Sie selbst Stellung beziehen. Sollte Ihr Gegenüber wieder rückfällig werden und Sie anschreien, können Sie tonlos weggehen und ihn stehenlassen.
— Zur „Zornentlastung" und Versachlichung eines Streits kann es auch beitragen, wenn Sie einem unbeteiligten, Ihnen freundschaftlich gesonnenen Dritten den Anlass und den Hergang Ihrer Wut-Entwicklung erzählen. - Vermeiden Sie es, Ihre soziale Umgebung unnötig zu frustrieren. Bemühen Sie sich um eine möglichst hohe eigene Frustrationsschwelle. Versuchen Sie, einen Mitmenschen, der Sie tadelt, auch einmal als Opfer seiner eigenen Stresssituation zu sehen.
— Ähnlich wie im Tierreich, hat auch jeder Mensch sein persönliches Revier. Es spricht vieles dafür, dass gewalttätige Personen in besonders hohem Maße empfindlich reagieren, wenn man ihnen physisch zu nahe kommt. Zimbardo und Ruch berichten von Ergebnissen einer amerikanischen Studie, nach der „eine Gruppe von gewalttätigen Gefangenen eine fast viermal so große Individualdistanz' brauchte als eine nicht-gewalttätige Kontrollgruppe."
Unter Individualdistanz versteht man die Entfernung auf die sich der Versuchsleiter einem Probanden nähern darf, ohne dass dieser das Wort „Stopp" sagt. Die Hypersensitivitat bezüglich der physischen Nähe eines anderen Menschen ist vermutlich auf ein übersteigertes Gefühl der Bedrohung zurückzuführen. Demnach „wäre es möglich vorauszusagen, dass Leute, die eine große Individualdistanz besitzen, wahrscheinlich sehr leicht gewalttätig werden können" (Zimbardo/Ruch, 1978, S. 11). Seitlich fühlt man sich in der Regel weniger leicht „verletzt" als bei einem Kontakt von vorne oder von rückwärts. Unbekannten sollten Sie nicht näher als etwa 50 cm (Intimdistanz) „auf den Leib rücken", da dann der Blickkontakt besonders schwierig wird und aufdringlich wirkt.
Wenn die se Distanz nicht respektiert wird, weicht der Gesprächspartner in der Regel immer weiter zurück. Faires Streiten in Form der partnerschaftlichen Auseinandersetzung kennt am Ende keinen Sieger und keinen Verlierer. In einer echten Partnerschaft darf jeder einmal stark und einmal schwach sein.
Viele Menschen versuchen, durch aggressives Verhalten Probleme zu lösen,
weil sie es nicht anders gelernt haben. Elternhaus, Schule und Medien
sollten es sich m diesem Zusammenhang zur Aufgabe machen, zu diesen
primitiven Bemühungen um Problemlösung und Frustrationsbewältigung
alternative konstruktive und kooperative Strategien anzubieten.