Frequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)
F: Stimmt es, dass Übungen, die die Achtsamkeit (Mindfulness) fördern, Stress, Hektik, Ängsten und diversen psychosomatischen Beschwerden nachhaltig entgegenwirken?
A:
Ein Weiser des Ostens wurde einst von seinen
Schülern gefragt, warum er so in sich ruhe und trotz seiner vielen
Beschäftigungen so glücklich sei und so viel Liebe ausstrahle.
Er antwortete:
„Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich
sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe,
dann liebe ich … .“
Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: „Das tun wir doch
auch, aber was machst du darüber hinaus?“
Er sagte: „Das tut ihr eben nicht. Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon,
wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr
schon am Ziel. Ihr seid sehr selten bei dem, was ihr gerade tut.“
Wir
leben oft so, als hätten wir einen Autopiloten eingeschaltet. Wir fahren
mit dem Auto zur Arbeit, sind aber die ganze Zeit gedanklich noch bei
dem Familienstreit, den wir beim Frühstück hatten. Wir laufen vom
Parkhaus zum Büro, sind aber im Geist schon längst bei der Sitzung, die
erst einige Stunden später stattfinden wird. Oft sind wir mit unseren
Gedanken noch in der Vergangenheit oder schon in der Zukunft statt im
gegenwärtigen Augenblick. Weil wir darüber grübeln, was wir hätten
anders machen sollen, weil wie uns ausmalen, was zukünftig alles
schiefgehen könnte, weil wir all unsere Hoffnung auf die Zukunft setzen
und uns bildhaft vorstellen, wie glücklich wir sein werden - weil wir
all das tun, versäumen wir die schönen Momente, die uns die Gegenwart
bietet.
Dazu passt auch eine kleine Geschichte von der „Langsamkeit der Seele“,
die Nossrat Peseschkian erzählt.
„Damals,
als noch keine Straßen das Land durchschnitten und es noch keine Autos
gab, die Menschen so schnell wie der Wind vom Meer in die Berge bringen,
kämpfte sich ein Missionar mit einer Schar von Trägern durch den
afrikanischen Busch. Er hatte es eilig und trieb seine Führer zu immer
schnellerem Gehen an, denn in drei Tagen wollte er sein Ziel erreichen.
Der dritte Morgen zog herauf, strahlend stand die Sonne am Himmel, die
Luft flimmerte, das hohe Gras bewegte sich sacht und die Vögel sangen.
Der Missionar drängte zum Aufbruch, aber die Träger lagerten und
wollten nicht aufstehen. Kein Zureden half, kein Befehl, kein Drohen.
Endlich fragte er nach dem Grund ihres Zögerns und erhielt zur Antwort:
´Unsere Körper sind zwar hier, aber wir müssen warten, bis unsere Seelen
nachgekommen sind`.“
Und wo haben wir unsere Orte, an denen unsere Seele nachkommen kann?
„Wenn ich gehe, dann gehe ich !“ Diese Aussage verdeutlicht
exemplarisch, worum es bei der Praxis der Achtsamkeit geht. Sie brauchen
weder täglich stundenlang zu meditieren, noch müssen Sie sich in ein
Kloster zurückziehen, um Achtsamkeit zu erlernen. Notwendig ist nur der
Wunsch und die Zielvorstellung, wach und präsent durchs Leben zu gehen
und die Bereitschaft, sich dafür etwas Zeit zu nehmen.
Orientieren Sie sich an dem Motto: „Tue alles, was du tust ganz, so
findest du mitten im Alltag den Weg in die Tiefe.“
Meister Eckhart rät: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der
bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht, das
notwendigste Werk ist stets die Liebe.“
Das Konzept der Achtsamkeit besteht aus Aufmerksamkeit und Akzeptanz.
Akzeptanz bedeutet aber nicht, alles auf Dauer hinzunehmen, sondern nur
es für den jetzigen Moment anzunehmen. Aus dieser Haltung heraus können
notwendige Veränderungsprozesse erkannt und weitere Schritte eingeleitet
und umgesetzt werden. Akzeptanz ist die wichtigste Grundhaltung der
Achtsamkeit. Ziel ist es, sich selbst und anderen eine wertfreie und
interessierte Offenheit entgegenzubringen.
Achtsamkeit (engl. Mindfulness) ist eine spezielle Form der
Aufmerksamkeitslenkung. Es ist das absichtsvolle, unabgelenkte,
annehmende Beobachten und Gewahrwerden dessen, was im Augenblick der
jeweiligen gegenwärtigen äußeren und inneren Erfahrung geschieht, ohne
irgendeine Bewertung positiver oder negativer Art.
Achtsamkeit als eigenständiges Konzept wurde Ende der 70-er Jahre von dem
US-amerikanischen Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn formuliert.
Im psychotherapeutischen Kontext wird Achtsamkeit inzwischen bisweilen
bereits als „3.Welle der Verhaltenstherapie“ bezeichnet (1. Welle:
Behaviorismus …Verhalten; 2. Welle: Kognition … Denken).
Achtsamkeit ist auch das zentrale Thema im Zen, eine Meditationsform,
die im 6. Jahrhundert in China entwickelt wurde. Zen umfassend zu
praktizieren bedeutet: Im Augenblick zu leben, ohne ihn zu beurteilen,
den Geist zu beruhigen, konzentriert zu handeln, nichts erreichen zu
wollen und von allem unabhängig zu sein.
Die beschriebenen, nachgewiesenen und vielfach dokumentierten Wirkungen
von Achtsamkeit sind äußerst vielgestaltig. Regelmäßig, systematisch
und langdauernd praktizierte Achtsamkeit bewirkt demnach eine anhaltende
Verminderung von körperlichen und psychischen Beschwerden , eine
Verringerung von Stress, Angst und anderen „toxischen“ Emotionen (z.B.
Ärger, Missgunst, Neid, Wut,…), eine Verbesserung der Selbstwirksamkeit
und eine Förderung der Resilienz und der Empathie.
Es entwickelt sich eine gelassene, positive Lebenseinstellung und ein
stabiles psychisches Gleichgewicht. Achtsamkeit ist erlernbar. Das
strukturierte MBSR-Programm (Mindfulness Based Stress Reduction) von Jon
Kabat-Zinn hat sich außerordentlich bewährt. Es besteht aus formalen
Achtsamkeitsübungen wie Körperwahrnehmung (Body-Scan), Sitz- und
Gehmeditation und Anleitungen zur Integration von Achtsamkeit in den
Alltag.