Frequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)
F:
Wie kann man Ärger und Wut in den Griff bekommen?A: Ärger – beziehungsweise seine große Schwester, die Wut – zählt zu den Basis-Emotionen wie Angst, Ekel, Traurigkeit, Überraschung oder Freude.
Ärger ist „eine spontane, innere, negativ-emotionale Reaktion (Affekt) auf eine unangenehme oder unerwünschte Situation, Person oder Erinnerung.“ (Wikipedia)
Mit diesem Begriff „umschreibt man eine ganze Gruppe negativer Gefühle,
die verschiedene Erregungsniveaus und Intensitäten aufweisen können. Die
stärkste Form ist die Wut. …Weniger erregende Formen … sind Unbehagen,
Unmut, Missmut.“ (Wikipedia)
Das Spektrum ist also breit, die Grenzen sind fließend. Wenn als
vermittelnde Variable zwischen Frustration und Aggression „anger“
(Ärger/Wut/Zorn) auftritt, ist mit aggressivem Verhalten des Betroffenen
zu rechnen. (vgl. Berkowitz 1962)
Ärger sorgt für eine massive Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin
und Cortisol: Blutdruck und Puls steigen, die Atmung wird flacher, die
Muskulatur wird besser durchblutet, der Körper ist bereit für Fight or
Flight. Es gilt die höchste Alarmstufe. Andererseits können Ärger und
Wut auch ein starker Antrieb für unser Handeln und für Veränderungen
sein. Aber:
Nur ärgern bringt nichts. Erst unser Handeln ändert etwas.
Also: Ärgern Sie sich nur über das, was Sie ändern können und ändern
wollen.
Vielleicht kennen Sie das sog. „Gelassenheitsgebet“ des
württembergischen Prälaten und Theosophen Friedrich Christoph Oetinger
(1702 -1782):
„Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Viele Jahre glaubte man, es sei gesünder, seinem Ärger „Luft zu machen“
statt ihn runterzuschlucken, ihn in sich „hineinzufressen“.
Beide Verhaltensweisen sind jedoch aus wissenschaftlich-psychologischer
Sicht nicht zu empfehlen.
Untersuchungen belegen, dass ungehemmtes Sich-Luft-machen (lautes
Schimpfen, auf Kissen einschlagen, Ärger an anderen abreagieren, …) den
Ärger verstärkt und die Aggressionsbereitschaft erhöht.
Wer losbrüllt, baut seinen Ärger nicht ab, sondern bleibt auf dem hohen
Ärger-Level stehen.
Es gilt der Grundsatz: „Wer schreit hat unrecht.“
Argumente kommen aus dem Kopf, nicht aus dem Kehlkopf. Lautsprecher
verstärken die Stimme, nicht aber die Argumente.
„Sanfte Antwort dämpft die Erregung, kränkende Rede reizt zum Zorn.“
(Bibel, Sprüche 15,1)
Ärger häufig runterzuschlucken, ihn zu unterdrücken, führt zu schlechter
Laune, Gereiztheit, Unausstehlichkeit und – wenn er maßlos wird, d.h. in
keinem nachvollziehbaren Verhältnis zum Auslöser steht – zu massiven
körperlichen Beeinträchtigungen (Herz- und Kreislaufprobleme,
Magenbeschwerden, Kopfweh, …).
Wenn wir uns ärgern, übernimmt unser Reptiliengehirn – also der
evolutionsgeschichtlich ältere Teil unseres Denkorgans – das Kommando.
Die Funktionen der Großhirnrinde - und damit all unsere im Laufe des
Lebens erworbene Weisheit – stehen uns nur noch eingeschränkt zur
Verfügung. Wir bekommen den sprichwörtlichen Tunnelblick.
Starker Ärger lähmt und verhindert, dass man einen kühlen Kopf bewahrt
und vernünftige Entscheidungen trifft.
Mittel der Wahl ist es, der Person, die den Ärger ausgelöst hat, in
einem ruhigen aber bestimmten Ton zu sagen, dass man ihr Verhalten nicht
billigt. Wenn ich das tue, heißt das nicht, dass ich das Verhalten des
andern gutheiße oder, dass ich „klein beigebe“.
Wenn Sie im Gegensatz dazu, unkontrolliert wütend reagieren,
signalisieren Sie dem anderen, dass er einen wunden Punkt von Ihnen
getroffen hat. Der andere weiß nun, wie er Sie manipulieren kann.
Beste Lösung ist nach herrschender psychologischer Fachmeinung die
Ärger-Kontrolle (Emotionskontrolle). Es gilt den Ärger bewusst
wahrzunehmen und ihn gezielt zu regulieren.
Eine wirkungsvolle Methode ist in diesem Zusammenhang die Verzögerung:
Dreimal tief durchatmen, dann bis 10 zählen und sich nun überlegen, was
genau einen gerade so wütend macht.
Nach dem „ABC der Gefühle“ der Rational-Emotiven-Therapie von Albert
Ellis, erzeugen Sie Ihre Gefühle über Ihre Gedanken selbst.
Ihre Gefühle sind quasi die Auftragsarbeit Ihrer Gedanken.
(siehe auch FAQ „Woher kommen meine Angstgefühle? / Gibt es einen Zusammenhang zwischen Gedanken und Gefühlen?“)
„A“ steht dabei für „activating event“ (= das Ereignis, das die Gedanken
aktiviert, anregt),
„B“ für „beliefs“ (= Gedanken, Überzeugungen) und
„C“ für „consequences“ (= Reaktionen, Folgen – also: Gefühle,
Handlungen).
Die Kausalkette verläuft also von A nach B zu C.
Die meisten Menschen sind allerdings „AC-Denker“. Sie glauben, dass die
äußeren Ereignisse Ursachen ihrer Gefühle und ihres Verhaltens sind. Wie
Sie gefühlsmäßig reagieren, hängt ganz davon ab, wie Sie über einen
Sachverhalt denken.
Kein anderer Mensch hat Sie beispielsweise jemals geärgert. Das taten
ganz allein Sie.
Gedanken, die Ärger auslösen („ärgerträchtige Gedanken“), könnten etwa
sein:
- „Der/die denkt wohl, ich bin blöd!“
- „Für wie dumm hält der/die mich eigentlich!?“
- „Dem/der werde ich es zeigen!
- Der/die denkt wohl, er/sie kann mit mir machen, was er/sie will!“
- „Ich lass mich doch nicht zum Hampelmann machen!“
- „Er/Sie hätte das nicht tun dürfen!“
- „So eine Unverschämtheit!“
- „Was fällt Ihnen ein?“
- „Das ist ja das Allerletzte!“
Beispiele für beruhigende Gedanken/Fragen:
- „Keep calm and carry on.“
- „Das berührt/tangiert mich nicht.“
- „Da steh´ ich drüber.“
- „Nicht ärgern – nur wundern!“
- „Das lass´ ich beim andern.“
- „Das fasziniert mich.“
- „Na, wenn schon!“
- „Außer ändern und umdeuten („Reframing“) gibt es nichts Sinnvolles, um mit einer Situation fertig zu werden.“
- „Beachtung bringt Verstärkung, Nichtbeachtung bringt Befreiung.“
- „Ich lasse es erstmal ´sacken`.“
- „Wenn ich in einer konkreten Situation denke: ´Egal!`, stellt sich ein Gleichgültigkeitsgefühl ein.“
- „Ich werde es überleben und kann es schon deshalb aushalten/ertragen/damit fertig werden.“
- „Was will mich diese Situation lehren?“
- „Was will mir diese Situation – quasi als mein persönlicher ´Coach` - sagen?“
- „Wenn der ´Shitstorm` kommt, drücke ich gedanklich die WC-Spülungs-Taste.“
- „Alles hat 2 Seiten. Ich drehe die ´Medaille`einfach um.“
- „Hinter jedem Schatten befindet sich – naturnotwendig! – ein Licht.“
- „Ich kann andere Menschen nicht ändern und trage deshalb i.d.R. keine Verantwortung für sie.“
- „Jeder Mensch tut eben - oft ohne Rücksicht auf jemand anderen – genau das, was für ihn das Beste ist.“
- „Ich betrachte das Verhalten des andern, wie ein Naturereignis (Wetter) auf das ich keinen Einfluss habe.“
- „Was der andere sagt/tut verrät mehr über ihn selbst – seine Wünsche, Vorlieben, Probleme – als über mich.“
- „Das Verhalten des Anderen kann 1000 Ursachen haben - warum es also persönlich nehmen?“
- „Jede Kritik ist nichts anderes als eine Meinungsäußerung. Jeder kann denken, was er will.“
- „Ärger ist Energieverschwendung.“
Man kann sich buchstäblich über alles ärgern, man kann es aber auch
bleiben lassen.
„Wer sich ärgert, büßt die Sünden anderer Leute.“
(Konrad Adenauer)
Schuld am Ärger sind immer überzogene Erwartungen. Werden sie nicht
erfüllt, ist man frustriert und verärgert. Im Gegensatz dazu lässt sich
ein unerfüllter Wunsch meist einfach mit dem Wort „schade“ kommentieren.
Durch die Annahme, etwas müsse so oder so sein, oder jemand müsste sich
so oder so verhalten – eine sog. „Mussturbation“ – bauen wir eine
riesige Erwartungshaltung auf. Das Wort „muss“ lässt keine Alternative
zu. Enttäuschungen sind absehbar. Wenn wir „müssen“ durch „können“
ersetzen, wandeln wir eine Verpflichtung in eine Option, eine Chance um.
Das reduziert das Enttäuschungsrisiko und schafft ein Gefühl von
Freiheit.
Mit dem Slogan „Yes, we can“ hat Barack Obama seinen Wahlkampf gewonnen.
Wenn uns etwas ärgert, möchten wir das zugrunde liegende Problem
möglichst sofort lösen. Eingebildeter Zeitdruck heizt den Ärger noch
weiter an.
Ein Satz, der sich hervorragend als Ärger-Killer eignet ist:
„Schließlich, morgen ist auch ein Tag“ – es ist auch der Schlusssatz des
Romans „Vom Winde verweht“.
Emotionen lassen sich leichter kontrollieren, wenn man in Gedanken auf
10 zählt, auf seine Atmung achtet und dabei – aus Gründen der
Entspannung - die Ausatmung betont. Lächeln - auch wenn einem nicht
danach zumute ist – verbessert die Stimmung.
Einen simplen Trick, um sein Gehirn auf gute Laune zu polen, beschreibt
der US-amerikanische Anthropologe und Psychologe Paul Ekman:
Ziehen wir über einen Zeitraum von mehreren Minuten die Mundwinkel hoch,
bekommt unser Gehirn das Signal: „Der Mund lacht!“ – und das Gehirn
leitet durch neuronale Impulse ein echtes Lachen ein.
Denselben Effekt erzielen wir, wenn wir einen Bleistift quer zwischen
die Zahnreihen (nicht zwischen die Lippen!) legen und ihn sanft mit den
Zähnen berühren.
Echtes Lachen und sich ärgern schließen sich gegenseitig aus – genauso
wie Entspannung und Angst.
Wechseln Sie in ärgerträchtigen Situationen ab und an gedanklich die
Seiten. Sich vorzustellen, dass der andere gute Gründe für sein Handeln
hat, sorgt für innere Balance. Ein Kraftfahrzeug zum Beispiel, das den
Fußweg vor einer Apotheke zuparkt, ist plötzlich kein Ärgernis mehr,
wenn ich erfahre, dass der Fahrer ganz dringend ein Medikament für sein
schwerkrankes Kind benötigt.
Vermeiden Sie es, Ihr Gegenüber unmittelbar anzusprechen, wenn es einen
starken Wutausbruch hat.
„Mit einem Vulkan ist nicht zu reden.“
(Ernst Jünger)
In den USA sagt man: Einen Menschen, der gerade „kotzt“ kann man nicht
gleichzeitig füttern.
Versuchen Sie, bei sich inneren Aufschub zu erreichen und wählen Sie für
das Gespräch einen ruhigeren Zeitpunkt.
Körperliche Bewegung ist die naturgegebene Antwort auf Stress. Auf diese
Weise bauen wir die bereitgestellte Energie ab und der Cortisol-Spiegel
sinkt auf sein Ausgangsniveau. Es ist diesbezüglich bereits hilfreich,
wenn wir zeitnah zur Ursache der Verärgerung eine halbe Stunde spazieren
gehen oder einige Kilometer joggen.
Eine weitere Möglichkeit zur Bewältigung von Ärger besteht darin, dass
wir uns innerlich von diesem Gefühl distanzieren. Wir nehmen den Ärger
wahr, stellen uns jedoch vor, dass er peripher bleibt und an uns
vorbeizieht - wie Wolken, die sich verziehen, bis der Himmel wieder
blau ist. Man kann den Ärger auch „gedanklich abwaschen“.
Eine einfache Dusche lässt sich als Ärger-Killer einsetzen. Lassen Sie
das Wasser achtsam auf Ihrer Haut herablaufen. Nehmen Sie das dabei
entstehende Gefühl ganz einfach wahr, ohne es zu bewerten.
Stellen Sie sich vor, wie das Wasser allen Ärger von Ihnen abwäscht und
der in Wasser und Seife gelöste Ärger für immer in der Kanalisation
verschwindet.
„Es ist unmöglich, jemandem ein Ärgernis zu geben, wenn er´s nicht
nehmen will.“ (Friedrich von Schlegel)