Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Woher kommen meine Angstgefühle?  Gibt es einen Zusammenhang zwischen Gedanken und Gefühlen?

A:  Einen solchen Zusammenhang gibt es in der Tat. Denken und Fühlen  sind  eng miteinander ver-
bunden.

Schon vor etwa 2000 Jahren wussten die Stoiker (Epiktet): „ Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern es ist unsere Sicht der Dinge.“ Die Art und Weise, wie ich über Dinge denke, bestimmt, wie ich mich fühle und wie ich handle.

Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hat der amerikanische Psychologe Albert Ellis diese Weisheit neu entdeckt. Ellis hat diesen Zusammenhang das „ABC der Gefühle“ genannt.

„A“ steht dabei für „activating event“ (= das Ereignis, das die Gedanken aktiviert, anregt), „B“ für „belief“ (= Gedanken, Überzeugungen) und „C“ für „consequences“ (= Reaktionen, Folgen – also: Gefühle, Handlungen).

Die Kausalkette verläuft also von A nach B zu C. Die meisten Menschen sind allerdings „AC-Denker“.
Sie glauben, dass die äußeren Ereignisse Ursachen ihrer Gefühle und ihres Verhaltens sind.

Wie Sie gefühlsmäßig reagieren,  hängt ganz davon ab, wie Sie über einen Sachverhalt denken. Niemand hat Sie beispielsweise  jemals verängstigt. Das taten ganz allein Sie.

Die amerikanischen Psychologen Hal und Sidra Stone haben den Begriff des „inneren Kritikers“ geprägt. Der innere Kritiker entstand in unseren ersten Lebensjahren, in denen uns durch Erwachsene (und ggf.Gleichaltrige) bewusst oder unbewusst das Gefühl vermittelt wurde, schwach, dumm,  unterlegen, … zu sein. Als Kinder hatten wir keine Möglichkeit, uns dagegen zu wehren. Wir waren auf unsere Bezugspersonen angewiesen, ja wir waren buchstäblich von ihnen abhängig,  um überleben zu können.

Innere Kritiker untergraben das Selbstvertrauen, indem  sie uns mit übertrieben selbstkritischen Gedanken oder vorwurfsvollen Monologen mutlos machen. Resignation zu verbreiten ist die Spezialität des inneren Kritikers.

Wenn Ihnen Ihr innerer Kritiker z. B. einredet (und Sie ihm das glauben), Sie seien minderwertig und wertlos, werden Sie sich richtig mies fühlen. Wenn er Ihnen dann aber auch noch suggeriert, dass Ihr Gefühl, minderwertig zu sein, der Beweis dafür ist, dass Sie tatsächlich minderwertig sind, ist das ein ganz übler Trick – man nennt ihn „Gefühlsdenken“. Sie wissen ja inzwischen , Ihr Gefühl ist nur der sichere Beweis dafür, dass Sie denken, Sie seien minderwertig.Watt

Die positive Botschaft des ABC-Denkens heißt: Sie können -  über Ihre Gedanken -  Ihre Gefühle und Handlungen steuern. Ihre Gefühle sind quasi die „Auftragsarbeit“ Ihrer Gedanken. Eine Kausalkette
lautet: Selbstabwertende Gedanken erzeugen Minderwertigkeitsgefühle und diese führen zu geringem Selbstvertrauen.

Wer seine  Angst bewältigen will, weil er darunter leidet, muss also seine Denkmuster ändern. Das ist gar nicht so einfach, denn: Mit unserem Denken folgen wir bestimmten inneren Programmen. Wir haben unsere Denkgewohnheiten entweder von anderen Menschen übernommen oder wir haben sie aus bestimmten eigenen Erfahrungen gefolgert und dann verallgemeinert.

Solche Verallgemeinerungen geben uns einerseits Sicherheit, machen aber auch unflexibel und führen leicht zu Vorurteilen. Wer alles schon im Vorhinein zu wissen meint, hemmt seine Experimentierfreudigkeit und beraubt sich der Möglichkeiten, neue Erfahrungen zu machen, die ja durch-aus positiv sein könnten.

Stressgedanken, selbstschädigende Gedanken , irrationale Gedanken, beunruhigende Gedanken, entmutigende Gedanken, verzerrtes Denken


Eine Auswahl:


Alles-oder-Nichts-Denken

Der innere Kritiker liebt es, in Extremen zu denken (gut/schlecht, schwarz/weiß, schön/hässlich, wertvoll/wertlos, …). Die Wörter „Mittelmaß, Durchschnitt, Grautöne“ existieren für ihn nicht. Wenn Sie eine falsche Entscheidung gefällt haben, bezeichnet er Sie als Versager, unabhängig davon,  wie viele richtige Entscheidungen Sie in der Vergangenheit schon getroffen haben.  Der innere Kritiker suggeriert Ihnen z. B., entweder Sie bestehen die Prüfung, oder Sie sind ruiniert.


Dramatisieren

Dinge oder Sachverhalte werden übertrieben bewertet, z. B. durch emotional stark aufgeladene Wörter wie:  furchtbar, schrecklich, katastrophal, toll, wunderbar, großartig. Mit Ausdrücken wie: immer, alle, total, völlig, nie, niemand wird signalisiert, dass keine Ausnahmen existieren. Aller-
dings: „Keine Regel ohne Ausnahme“  wäre selbst schon wieder eine Übertreibung.
In Wirklichkeit sind die meisten Dinge weder grauenhaft noch super, sondern einfach so in Ordnung wie sie sind, nicht mehr und nicht weniger.


„Mussturbationen“  -  Sollte-Müsste-Vorstellungen  -  Die Diktatur des Müssens

Die Wortschöpfung „Mussturbationen“ hat Albert Ellis geprägt. Dabei geht es um unrealistische Erwartungen an sich selbst, andere oder die Welt. Die drei Haupt-Muss-Vorstellungen, die emotionale Probleme hervorrufen können, lauten:

Ich muss eine gute Leistung erbringen und/oder die Anerkennung wichtiger Persönlichkeiten finden, sonst bin ich eine unzulängliche Person.

Du musst mich fair und rücksichtsvoll behandeln und mich nicht über Gebühr frustrieren, sonst bist du verdorben.

Mein Leben muss mir die Wünsche erfüllen, die ich habe und ich muss mich vor Unheil bewahren, sonst ist das Leben unerträglich und ich kann überhaupt nicht glücklich sein.

Der Meinung sein, etwas nicht aushalten zu können

Diese Ansicht ist oft die erste Folge des Dramatisierens. Nachdem wir einen Sachverhalt  aufge-bauscht oder gar katastrophisiert haben, glauben wir ihn nicht mehr ertragen zu können. Faktum ist: Alles, was wir überleben, können wir ertragen, aushalten und damit fertig werden. Tatsachen können uns nicht aus dem Gleichgewicht bringen, sondern nur unsere Bewertung der Tatsachen.

Übertriebene  Verallgemeinerungen
Der innere Kritiker nimmt ein Ereignis oder ein Verhalten von Ihnen zum Anlass, um daraus  gleich-sam eine allgemeingültige Regel abzuleiten: Einmal Pech gehabt, immer Pech haben;  einmal versa-gen, immer versagen, …

Leugnung des Positiven, Übertreibung von Fehlern und Irrtümern

Der innere Kritiker ist auch Meister der Untertreibung von Positivem. Nach erfolgreich abgeschlos-
senen Arbeiten suggeriert er Ihnen, dass dies Zufall  und nichts Besonderes  sei und, dass Sie sich nicht zu früh freuen sollten, weil das dicke Ende ja noch nachkomme. Der innere Kritiker gibt Ihnen nicht die Chance, sich über Ihren Erfolg zu freuen und darauf stolz zu sein.
Wenn Sie der innere Kritiker andererseits bei einem kleinen Fehler ertappt, lässt er Sie diesen Lapsus sofort durch eine „Lupe“ betrachten, damit Ihnen dieser Fehler riesengroß erscheint. Würde der innere Kritiker statt einer Lupe ein Fernglas benutzen, könnten Sie einfach das Fernglas vor dem Durchschauen umdrehen. Alles würde kleiner, weil es weiter weggerückt erscheint.

Gedankenlesen

Der innere Kritiker tut so, als könne er in den Köpfen Ihrer Mitmenschen lesen, wie in einem aufgeschlagenen Buch. Auf diese Weise werden anderen Menschen z. B. schlechte Absichten unterstellt. Wenn einige Leute beieinanderstehen und lachen, will Ihnen Ihr Kritiker einreden, sie hätten über Sie abfällig geredet und über Sie gelacht. Vielleicht wird Ihnen gar suggeriert, andere würden Sie für einen unfähigen,  minderwertigen, wertlosen Menschen halten.

Summasummarum sind es vor allem drei Aussagen(„Trio“), die uns in Anspannung und Stress versetzen können:

„X“ ist schrecklich, furchtbar, entsetzlich
Ich kann „X“ nicht aushalten
„X“ muss sich ändern  (Oder: Ich muss „X“ ändern)

Beruhigende Gedanken, stärkende Gedanken

Eine Auswahl: 

Das wird schon wieder.
Es geht auch so.
Egal
Ich werde damit fertig.
Das ist nicht so wichtig.
Ich kann es aushalten.
Auch das geht vorüber.
Ich schaffe es trotzdem.
Dann ist es eben so.
Na und? Ich mache trotzdem weiter.
(Hohensee, Th.: Gelassenheit beginnt im Kopf, München 2007, S. 46)

Wer weiß, wozu es gut ist.
Ich kann damit fertig werden, oft sogar leichter, als ich zunächst dachte.
Da steh´ich drüber.
Da, wo die Angst ist, da geht´s lang.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.  (Friedrich Hölderlin)
Wer nichts riskiert, kann nicht einmal scheitern. (Reinhold Messner)
Schau´n wir mal, dann seh´n wir schon.
Let it be (Lass es geschehen)
Passt schon!
So ist es halt …
Na und? Was ist denn dabei, wenn …
Na wenn schon …
Veränderungen brauchen Zeit. Aber ich werde es schaffen.
We´ll cross the bridge, when we get there
Glücklicherweise wird alles interessant, womit man sich ernsthaft beschäftigen muss. (Max Eyth)
Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen. (Aristoteles)
Attempto! (Ich wag´s)
A bisserl was geht immer.
Ich kann. Ich darf. Ich will.
Alles hat seine Zeit und braucht seine Zeit.
Was langsam wächst, wird doppelt stark (C.F. Mayer)
Eins nach dem andern.



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