Frequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)
F:
Ich leide nicht selten unter der Angst, mich falsch zu
entscheiden. Wie kann man seine Entscheidungskompetenz verbessern?
A:
Etymologisch – also von der Wortherkunft her – hat
„Entscheiden“ etwas mit „Scheiden“, also mit „Loslassen“ zu tun und
manchmal wird vergessen, dass die Entscheidung
für
etwas, immer gleichzeitig
die Entscheidung gegen etwas anderes ist.
Unser ganzes Denken ist eine permanente Abfolge von
Entscheidungen. Amerikanische Psychologen haben herausgefunden: Pro Tag
fällen wir bis zu 100.000 Entscheidungen, der allergrößte Teil davon
fällt automatisch, d.h. unbewusst.
Klug entscheiden zu können ist eine Schlüsselqualifikation, die
fächerübergreifend viele
Türen öffnet.
Kopf oder Bauch – entscheidet die Neurochemie?
Bei dieser Frage geht es um das Zusammenwirken von Großhirn und
„Reptilienhirn“. In unserem Bauchbereich befindet sich zudem ein
neuronales Netzwerk, das eine ähnliche Struktur hat wie unser Gehirn.
Bei Entscheidungen ist immer ein ganzer Cocktail von Botenstoffen
beteiligt.
Um klug entscheiden zu können, brauchen wir i.d.R. Verstand und Gefühl, denn: „Die reine Vernunft ist wirkungslos.“ (Gerhard Roth). Es gibt zwar reine Bauchentscheidungen (rein emotionale Entscheidungen), aber: Es gibt keine reinen Kopfentscheidungen. Ohne unsere Intuition wären wir jedenfalls im täglichen Leben „aufgeschmissen“.
Im Vergleich mit dem Tier – mit seinen in der Evolution geschärften Instinkten – verfügt der Mensch lediglich über Instinktresiduen. „Im Gegensatz zum Tier sagen dem Menschen keine Instinkte, was er muss; und dem Menschen von heute sagen keine Traditionen mehr, was er soll, und oft scheint er nicht mehr zu wissen, was er eigentlich will.“ (Viktor E. Frankl).
Der portugiesische Neurowissenschaftler Antonio Damasio postulierte, dass alle Erfahrungen eines Menschen (im Laufe seines Lebens) in einem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert werden. Nach dieser Theorie werden sämtliche Erfahrungen emotional bewertet und nach einem einfachen Prinzip im Gehirn abgelegt: Positive Erfahrungen werden mit einem guten Gefühl markiert, negative mit einem schlechten.
Nach Damasio teilt sich dieses Erfahrungsgedächtnis
über ein körperliches Signalsystem (sog. „Somatische Marker“) mit, das
dem Menschen bei der Entscheidungsfindung hilft („Schmetterlinge im
Bauch“, „Bauchweh“, „Kalte Füße“,…). Man bekommt auf diese Weise zwar
einen Hinweis darauf, WIE man sich entscheiden soll, aber man weiß nicht
WARUM. Solche Entscheidungen sind anderen Menschen argumentativ nicht
vermittelbar und wenn es „schief geht“, tut man sich schwer, daraus zu
lernen.
Jedoch: Gefühle können auch in
die Irre leiten, der Bauch sendet manchmal falsche Signale. Ein ungutes
Bauchgefühl zum Beispiel kann total berechtigt, oder aber völlig
irrational (z.B. bei Umstellung auf Linksverkehr im Ausland) sein.
Der Verstand sollte jedenfalls spätestens dann zugeschaltet werden, wenn es darum geht, längerfristige Konsequenzen des Handelns abzuschätzen. Allerdings: „Das lange Nachdenken und Abwägen von Handlungsalternativen ergibt nicht automatisch eine gute Entscheidung.“ (Gerhard Roth)
Mittel der Wahl ist die sog. „Aufgeschobene intuitive Entscheidung“ (nach rationaler Abwägung mindestens eine Nacht darüber schlafen). Dadurch bringt man rationales Vorgehen und emotionales Erfahrungswissen in Einklang.
Ab und an beeinträchtigen „Blinde Flecken“
(Systemfehler) in unserem Denken unser Entscheidungsvermögen.
Beispiele:
Beim „Hindsight Bias“ (Rückschaufehler) verändern
spätere Informationen unser Bild von der Vergangenheit. Wir reden uns
eine getroffene Entscheidung im Nachhinein schön.
Unter „Frequency-Validity-Effekt“ ist die Wirkung zu verstehen, dass uns eine Aussage umso glaubwürdiger (gültiger) erscheint, je häufiger (frequenter) wir sie zur Kenntnis nehmen.
„Thorndikes Effektgesetz“ entspricht der simplen Regel: Folgt auf eine Handlung ein angenehmer Zustand und sind wir damit erfolgreich, so wollen wir diese Handlung wiederholen. Wer etwa das Flimmern des Fernsehbildes mit einem Faustschlag auf das Gehäuse des Gerätes beseitigen kann, wird diese Praktik wohl auch in der Zukunft anwenden.
Beim Blinden Fleck „Fässer ohne Boden“ („sunk costs“) geht es um vergebliche Investitionen, die sich nicht mehr zurückholen lassen; sie sind ein für allemal verloren, sozusagen „versunken“. Wo liegt in diesem Zusammenhang das Problem? Wenn man aus einem verlustreichen Geschäft aussteigt, muss man zugeben, dass die vorhergehende Entscheidung falsch war. Wenn ich zum Beispiel schon eine halbe Stunde in klirrender Kälte auf einen Autobus gewartet habe, fällt es mir schwerer zum Taxistand zu gehen, als wenn ich gleich ein Taxi genommen hätte.
Im Zusammenhang mit getroffenen Entscheidungen und ihren Konsequenzen spielt nicht selten das Konzept der „Kognitiven Dissonanz“ (Leon Festinger) eine Rolle.
Kognitive Dissonanz (KD) ist ein unangenehm (negativ) empfundener Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass wir gleichzeitig mehrere Kognitionen (Gedanken, Wahrnehmungen, Meinungen, Einstellungen, Wünsche, Absichten) in uns wahrnehmen, die nicht miteinander vereinbar sind. Der Mensch strebt grundsätzlich nach Harmonie und versucht Dissonanzen zu vermeiden.
KD tritt zum Beispiel auf, wenn man eine bestimmte
Entscheidung getroffen hat, obwohl die Alternativen ebenfalls attraktiv
waren oder, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich
anschließend als Fehler erweist.
Ein Beispiel: Wir haben uns nach
intensiven Recherchen und gründlichen Überlegungen für den Kauf eines
bestimmten Produktes entschieden und erhalten nach dem Kauf
Informationen, die die Richtigkeit unserer Kaufentscheidung in Frage
stellen („Kaufreue“). Da KD als unangenehm empfunden wird, versucht man
die Kognitionen in Einklang (in eine konsonante Beziehung) zu bringen,
um den negativen Gefühlszustand zu beenden. Beispiel: Alle neuen
Informationen, die zu einer getroffenen Entscheidung im Widerspruch
stehen, werden einer Tendenz entsprechend abgewertet, während alle
konsonanten Informationen tendenziell aufgewertet werden.
Die Qual der Wahl – Maximizer versus Satisficer
Beispiel Supermarkt: Maximizer wollen herausfinden, welches Produkt
(Zahnpasta, Seife,…) das absolut Beste für sie ist. Dazu müssen sie
theoretisch alle Möglichkeiten durchspielen, bevor sie sich für eine
Alternative entscheiden. Selbst wenn sie am Ende eine gute Wahl
getroffen haben, schmälert der Zweifel, dass es noch eine bessere hätte
geben können, ihre Befriedigung.
Dem Satisficer-Typ genügen im Gegensatz dazu die Informationen, die ihm zur Verfügung stehen, um zu entscheiden, was er will, auch wenn sein Wissensstand alles andere als optimal ist. Er wählt das Erstbeste, was seinen Kriterien genügt – und ist zufrieden damit.
Das heutige Überangebot an Waren in Industrieländern macht insbesondere dem Typus Maximizer das Entscheiden schwer.
Besonders problematisch sind Entscheidungen unter
Zeitdruck. Wenn man klug handeln möchte, sollte man keine übereilten
Entscheidungen treffen. Über wichtige Entscheidungen sollte man
mindestens eine Nacht – besser zwei! – schlafen. Fast nichts ist so
wichtig, dass es nicht eine Nacht warten könnte.
Es gibt allerdings auch Adrenalin-Junkies, die erst
unter Zeitdruck zu großer Form auflaufen und die einen solchen
Zeitdruck-Kick direkt suchen. Manche tun es schlicht deshalb, weil sie
dann – bei einer eventuellen Fehlentscheidung – im Nachhinein sagen
können, sie hätten ja (leider) nicht genügend Zeit zum Überlegen gehabt.
Wer Zeitdruck vermeiden will, tut gut daran,
Entscheidungen nach A-. B- und C-Kriterien – nach Wichtigkeit und
Dringlichkeit („Eisenhower-Prinzip“)
- zu priorisieren.
Als Hilfen zur Fällung von ratio-gestützten Entscheidungen gibt es eine
Reihe von bewährten Techniken:
-
Pro- und Kontra-Listen
-
Plus-Minus-Bewertungen
-
Gewichtete Kriterienlisten
-
Rangreihenbildungen
Zwei sehr hilfreiche Entscheidungstechniken, die
- nachvollziehbar und transparent
- Auswahlentscheidungen mit
belastbaren Zahlenergebnissen liefern,
sind die „Nutzwertanalyse“ NWA und der „Analytische
Hierarchieprozess“ AHP.
NWA (Scoring-Modell,
Punktebewertungsverfahren)
Die Technik eignet sich für quantitative und qualitative
Problemstellungen. Man sucht die Alternative mit dem größten Nutzwert
(Gewichtung x Erfüllungsgrad)-
Das Vorgehen ist ähnlich wie bei der NWA. Die Gewichtung der Kriterien erfolgt jedoch nicht direkt, sondern durch „Vollständigen Paarvergleich“ (jedes Kriterium wird systematisch mit jedem anderen unter dem Aspekt Wichtigkeit verglichen) und es erfolgt eine mathematisch-logische, statistische Prüfung auf Widerspruchsfreiheit der Aussagen.