Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Ich tappe immer wieder in die Perfektionismus-Falle.  Was kann ich dagegen tun?

A: Einer der größten Zeitfresser, der uns auch noch Gelassenheit und Selbstvertrauen raubt, ist der Versuch, alle Arbeiten bis ins letzte Detail perfekt zu erledigen. Antreiber
„Sei perfekt!“ nennt man in der Psychologie einen „Antreiber“, eine Verhaltensweise, die wir Menschen entwickelt haben, um uns Anerkennung zu verschaffen.
Jeder Antreiber besitzt zwei Seiten. Er ist für die Eigenschaften von uns verantwortlich, die dafür sorgen, dass wir zum Beispiel im Beruf vorankommen und die Anerkennung unserer Mitmenschen finden. Die Kehrseite: Antreiber führen häufig zu zwanghaften Verhaltensweisen, sie treiben uns im wahrsten Sinne des Wortes an und behindern damit unsere Selbstfindung und die Entdeckung unserer wahren Interessen und Absichten.
Wer den Perfektionismus-Antreiber in sich trägt, treibt stets einen besonders hohen Aufwand, um perfekt zu sein. Gleichzeitig reagieren solche Menschen jedoch überaus empfindlich gegenüber Kritik und sie stellen sich ständig vor, was alles nicht gelingen kann. Dabei werden nicht selten Katastrophenfantasien entwickelt. Wenn Sie Ihren Perfektionismus-Antreiber neutralisieren wollen, sollten Sie sich zunächst folgende Fragen schriftlich beantworten:

- Welche Vorteile bietet Ihnen dieser Antreiber?
- Welche Nachteile sind damit verbunden?
- Was würde sich ändern, wenn Sie auf diesen Antreiber verzichten?
- Welche Gewohnheiten müssten Sie aufgeben?
- Wo verspüren Sie Unbehagen, wenn Sie daran denken, künftig ohne diesen Antreiber zu leben?

Geben Sie sich jetzt innerlich die Erlaubnis,  auf Ihren Perfektionismus-Antreiber zu verzichten. Ersetzen Sie: „Sei perfekt!“ durch die Formulierung

 „Ich bin gut genug, so wie ich bin. Ich darf Fehler machen und daraus lernen!“

Sprechen Sie diesen Erlaubnissatz („Erlauber“) mehrfach laut aus. Wiederholen Sie die Formulierung, falls Sie beim ersten Mal noch Widerstände verspürten und der Satz für Sie noch nicht so richtig glaubhaft geklungen hat. let it be

Perfekt oder gut?
In der Regel gilt: Gut reicht völlig! Ab einem gewissen Punkt stehen weder der Aufwand an Kosten, noch der an Zeit in einem vernünftigen Verhältnis zu einem angestrebten möglichst perfekten Ergebnis. Orientieren Sie sich am GSP (Gut statt perfekt)-Prinzip und halten Sie sich nicht mit Feinheiten auf, die in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis stehen.
Die Note „gut“ bekommen  Sie zum Beispiel auf der Sechser-Notenskala mit 80 Prozent der erreichbaren Punkte einer Prüfung (6 – 5 x 8/100 = 2,0). Um etwas „gut“, also zu 80 Prozent zu erledigen, brauchen Sie z.B. 30 Minuten, um es nahezu perfekt hinter sich zu bringen, benötigen Sie erfahrungsgemäß mindestens die doppelte Zeit.
Wie immer gibt es natürlich auch hier Ausnahmen. Grundsätzlich kommt es auf die richtige Dosierung an. Zu wenig Perfektionismus führt schnell zu Nachlässigkeit und Schlampigkeit, zu viel davon macht schlussendlich krank.
Es gibt allerdings auch Berufsgruppen, die zwangsläufig einen „gesunden“ Perfektionismus an den Tag legen müssen. 
Von Chirurgen und Piloten zum Beispiel erwarten wir zu Recht ein hohes Maß an Perfektion.
Schärfen Sie Ihr Bewusstsein gegenüber Perfektionismus-Fallen und achten Sie auf Perfektionismus-Fallen, die sich im „normalen“ Alltag umgehen lassen:

Überpünktlich sein
Pünktlichkeit wird im menschlichen Miteinander zu Recht erwartet. Vielleicht kann Ihnen diesbezüglich eine Maxime des Ravensburger Industriellen Otto Julius Maier eine Richtschnur sein: „Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Maiers Pünktlichkeit“.

Zu viel Ordnung halten
Übertriebener „Ordnungssinn“ (z.B. stundenlanges und häufiges Aufräumen)  ist ein Zeitfresser und kann ein Hinweis auf zwanghaftes (obsessives) Denken und Verhalten (Kontrollzwang) sein.

Übertrieben pflichtbewusst sein
Übertriebenes Pflichtbewusstsein sieht auch dort Pflichten, wo gar keine bestehen. Der Perfektionist glaubt, alles müsse 100-prozentig erledigt werden – am besten von ihm selbst.

Auf Fehlerfreiheit fixiert sein
Fehler sind menschlich und machen menschlich. Nur wer nichts arbeitet macht keine Fehler (und wer keine Fehler macht, wird befördert??).  Aber: Man muss keinen Fehler zweimal machen, die Auswahl ist ja groß genug. Via trial and error kann man erfolgreich und nachhaltig lernen.

Mehr Leistung erbringen als erforderlich ist
Denken Sie in diesem Zusammenhang an den Spruch: „Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es gerade muss.“ In vielen Fällen können Sie sich den „Feinschliff“ sparen. Machen  Sie sich immer das Kosten-Nutzen-Verhältnis Ihrer Arbeit klar.




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