Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Ich neige stark dazu, vieles persönlich zu nehmen. Was kann ich dagegen tun? 

A:    Sie sind mit diesem Problem mit Sicherheit nicht allein.

Viele Menschen beziehen das Verhalten anderer häufig auf sich selber und nehmen fast alles persönlich. Sie wittern Zurechtweisung oder Ablehnung immer öfter auch dort, wo sie gar nicht gemeint sind.
Das hat Folgen für das Selbstwertgefühl, eine relativ labile und leicht zu verändernde Größe im Seelenhaushalt. Wenn uns jemand mürrisch oder abweisend begegnet, uns absichtlich ignoriert oder unnötig scharf kritisiert, lässt uns das selten kalt. 
Ablehnendes Verhalten nehmen wir fast immer persönlich, selbst wenn wir wissen, dass es gar nichts mit uns zu tun hat . Menschen sind einfach nicht selten überempfindlich. Das Verhalten des anderen kann jedoch 1000 Gründe haben. Niemand ist scharf darauf, kritisiert zu werden, und wer etwas anderes behauptet, sagt mit großer Wahrscheinlichkeit  nicht die Wahrheit.

Jedoch: Eine Kritik muss nicht zwangsläufig kränken.
LilliesWenn man sich seiner Leistung oder der Korrektheit seines Verhaltens gewiss ist, kann einem die Kritik wichtige Hinweise darüber geben, was man noch besser machen kann. Bei gegebener Selbstunsicherheit kann Kritik allerdings das Selbstwertgefühl derart berühren, dass man sich als Versager/Versagerin betrachtet.  Kritik wird nur dann zur Kränkung, wenn man sich dadurch unterlegen und unfähig fühlt und verletzt reagiert. Gekränkt fühlt man sich, wenn man sich in seinem Selbstwert angegriffen und als Person infrage gestellt erlebt. Kränkbarkeit bedeutet, viele Ereignisse persönlich zu nehmen, sie auf sich zu beziehen und ihnen eine entwertende Bedeutung zuzuschreiben.

Übrigens:  Alles, was der andere sagt – und damit auch jede Kritik! - ist nur seine Meinung;  auf die er ein grundgesetzlich garantiertes Recht hat. Das Wort „Kränkung“ kommt vom mittelhochdeutschen „krenken“ (schwächen, mindern, schädigen, zunichtemachen, plagen, erniedrigen). Damit man sich persönlich gekränkt fühlt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: - Ein wunder Punkt, der einen verletzlich macht - Die Bereitschaft, einem anderen die Schuld für das eigene „Elend“ zuzuschieben - Die Ablehnung der Verantwortung für die eigenen Gefühle - Die Neigung „Dinge“, die einem widerfahren, persönlich gegen sich selbst gerichtet zu verarbeiten.   Prüfen Sie deshalb zuerst, ob das Verhalten des anderen wirklich eine Aktion gegen Sie  - bzw. eine    Reaktion auf Sie -  ist oder nicht.

Mehr als 2000 Jahre alt ist der Aphorismus von Epiktet: 
„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.“ 
Wir selbst – nicht andere!  entscheiden demnach, ob eine Bemerkung/Handlung/Unterlassung eines anderen uns negativ berührt oder nicht. Eine Verletzung kommt erst zu Stande, wenn wir das, was unser Gegenüber sagt oder tut, als verletzend und kränkend bewerten. Ein und derselbe Kommentar beispielsweise macht uns bei einem Menschen nichts aus, während er uns aus dem Mund eines anderen völlig aus dem Gleichgewicht wirft. Was der andere sagt/tut/schreibt bzw. nicht sagt/nicht tut/nicht schreibt trifft mich nur, wenn ich mich treffen lassen will („Stock und Stein bricht mein Bein, doch Worte niemals, nein!“).
Auch wenn der andere mich persönlich meint, bestimme ich, ob ihm das gelingt. Den Satz:  „Du hast mich gekränkt“ sollten Sie ersetzen durch: „Ich fühle mich gekränkt, durch das, was Du gesagt/getan hast“. 
Auf diese Weise vermeiden Sie Vorwürfe und Unterstellungen und übernehmen die Verantwortung für Ihr Erleben.
Auch die Verantwortung dafür, ob sich eine andere Person abgelehnt fühlt, muss diese Person selber tragen. Selbst wenn wir achtungsvoll mit anderen umgehen, können wir weder vorhersehen, noch vermeiden, dass  andere sich durch unser Verhalten verletzt fühlen. Vielleicht fühlen Sie sich angegriffen, wenn ein Bekannter grußlos an Ihnen vorbeiläuft und Sie denken, er ist etwas Besseres und hält Sie für nicht grüßenswert. 

4Affen


Menschen, die viel persönlich nehmen, haben eine ganz bestimmte Art, die Ereignisse um sie herum zu bewerten. Sie  laufen gleichsam mit der Befürchtung durchs Leben, dass andere sie ablehnen, schlecht über sie denken, sie missachten oder ihnen weh tun wollen – sie suchen geradezu nach einem vermeintlichen Angriff.
Wenn Sie von sich überzeugt sind, dass Sie o.k. sind, beziehen Sie auch nicht mehr jede Äußerung anderer Menschen auf sich. Wenn etwas doch ganz und gar und überhaupt nichts mit mir zu tun hat, kann ich es doch getrost ganz und gar beim anderen lassen. Sobald man etwas persönlich nimmt, gibt man anderen Menschen Macht über sich. Man fühlt sich angegriffen, versucht sich zu verteidigen und meint, man müsste irgendjemandem irgendetwas beweisen – all das muss man jedoch nicht. Wer nichts persönlich nimmt, ist immun gegenüber Attacken anderer. 
Wenn man einsieht, dass Menschen oft deshalb beleidigend sind, weil es ihnen selbst nicht gut geht, kann man damit aufhören den Meinungen und dem Verhalten anderer zu starkes Gewicht zu geben. Vielleicht ist der andere gerade müde, krank, wütend auf …, geistesabwesend, hungrig/durstig? Wenn  Sie ein anderer Mensch ablehnt, ist das zunächst eine Aussage  über ihn, seine Lebensumstände/Vorlieben/Interessen/Wünsche/Bedürfnisse. 
Es ist so ähnlich, wie auf dem Wochenmarkt: Wenn jemand rote Äpfel bevorzugt, sagt das doch nichts über die Äpfel aus, sondern nur etwas über die Vorlieben des Käufers. Sollen  sich die grünen Äpfel  etwa deshalb grämen? Auch wenn Sie sich noch so sehr bemühen, können Sie es nicht jedem Menschen recht machen und von jedem  Anerkennung bekommen.

Schulz von Thun unterscheidet vier Seiten einer Nachricht („Kommunikationsquadrat“): 4fach
Sachinhaltsseite, Beziehungsseite, Selbstoffenbarungs-/Selbstkundgabeseite, Appellseite.
Der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten. Entsprechend muss natürlich auch der Empfänger imstande sein, alle vier Seiten der Nachricht aufzunehmen. Doch in der Regel nimmt er meist nur eine Seite der Nachricht wahr und reagiert auf diese.
Gestört ist die Kommunikation z.B. wenn der Empfänger überwiegend nur auf einem Ohr hört und für alle anderen Botschaften, die sonst noch ankommen, „taub“ ist. Menschen, die dazu neigen, vieles persönlich zu nehmen, hören besonders gut auf dem Beziehungsohr: „Der hat was gegen mich, der kann mich nicht leiden“ oder „Der will mich hier nur bloßstellen“. 
Mittel der Wahl wäre, besseres Hörenlernen auf dem Sachinhaltsohr. Der Sachinhalt enthält Informationen über die mitzuteilenden Geschehnisse und Dinge und beantwortet die Frage: „Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?“ Nehmen Sie das, was der andere sagt/tut sachlich auf.
Hören Sie gut zu und stellen Sie Fragen – ohne großes emotionales Tamtam. Gehen Sie in eine unpersönliche Haltung,  die es Ihnen ermöglicht, sich nur auf die Sache zu konzentrieren. Es kann Ihnen egal sein, wie viel der andere von Ihnen hält, Sie müssen vom anderen nicht geliebt werden und Sie brauchen keine Anerkennung des anderen. Sie wollen nur die Sache klären.
SchildBarbara Berckhan schlägt in diesem Zusammenhang vor, in der Vorstellung  gleichsam einen „Schutzschild“ – eine durchsichtige Scheibe aus  kugelsicherem Panzerglas – vor sich aufzubauen. Ein Schild an dem alles abprallt, was Sie verletzen könnte. Der Schutzschild ist nichts anderes als Ihre unpersönliche Haltung, die es Ihnen ermöglicht, Kritik rein sachlich aufzunehmen. Wenn der andere persönlich wird, können Sie seine Bemerkungen einfach „durchwinken“. Sie müssen sich nicht persönlich treffen lassen.  

Ich kann alles, muss aber nichts persönlich nehmen.
Wenn ich es nicht persönlich nehme, fühle ich mich nicht getroffen, betroffen, verletzt, beleidigt, gekränkt. Denn: Das Problem hat dann der andere.

 



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