Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Ich leide unter ausgeprägten Selbstzweifeln. Was kann ich dagegen unternehmen?  

A: Alle Menschen – besonders solche mit einem defizitären Selbstwertgefühl (SWG) – haben einen „inneren Kritiker“, eine innere Stimme, die ständig an ihnen herummäkelt und sie schlecht macht.
In der Regel ist es die Stimme der Eltern oder anderer Erziehungspersonen.  Es sind ihre Zurechtweisungen  und ihre Kritik, die man verinnerlicht (internalisiert) hat. 
Oft handelt es sich um einschränkende Gedankenmuster, die nichts mehr mit der aktuellen  Wirklichkeit zu tun haben. Eltern versuchen meist grundsätzlich einen „besseren“ Menschen aus ihrem Kind zu machen und genau das ist auch die Funktion des inneren Kritikers. Er kommentiert und bewertet, kritisiert und beschimpft und er erzählt uns, was wir zu tun und zu lassen haben. Traurig
„Geht nicht!“, „Klappt sowieso nicht!“ – der innere Kritiker hält uns von Veränderungen ab und scheut das Risiko. Im Grunde genommen will er nur ungestörte Geborgenheit  ohne jede Veränderung.
Wenn Sie sich überlegen, was grundsätzlich dran ist an der Kritik und den Bedenken, kann der Kritiker sogar als hilfreiches Korrektiv wirken. Akzeptieren Sie Ihre innere  Stimme als Teil von Ihnen selbst. Ihr bester Freund wird es deshalb mit Sicherheit noch lange nicht.
Wenn Sie an Ihren Fähigkeiten, etwas zu sein, haben oder erreichen zu können zweifeln, werden Sie es  vermutlich auch nicht erreichen. Sie werden ständig andere beneiden, die den Mut haben, den Sie sich durchgängig nehmen, indem Sie an Ihren Fähigkeiten zweifeln und sich einreden, nicht genügend begabt oder nicht  gut genug zu sein.
Sie können Selbstzweifel nur überwinden, wenn Sie das tun, woran Sie zweifeln und wenn Sie dabei erleben, dass Ihre Zweifel unbegründet waren. Wenn Sie das üben, worin Sie unsicher sind,  haben Sie die Chance, Ihr Selbstvertrauen zu steigern und je öfter Sie erleben, dass Ihnen etwas immer besser gelingt, um so mehr schwinden Ihre Selbstzweifel und Ihr Selbstvertrauen wächst.

Sie können Ihr Selbstwertgefühl verbessern, wenn Sie sich auf Ihre Stärken, Erfolge, liebens- und bewundernswerten Seiten besinnen.

Allerdings:
Unspezifische Selbstbestätigungen, Selbstbejahungen (Selbstaffirmationen) wie: „Ich bin stark!“, „Ich schaffe das!“, „Ich bin toll!“, „Ich bin etwas Besonderes!“ bringen – bedingt durch die große Differenz zwischen subjektiver Befindlichkeit und Wirklichkeit – nicht viel.
Der Wert von Selbstbekräftigungen und positiven Selbstgesprächen muss durchaus differenziert gesehen werden:
Menschen mit einem gut entwickelten, stabilen SWG fühlen sich nach positiven Selbstgesprächen noch besser, während Menschen, die unter ihrem geringen Selbstwertgefühl leiden, sich danach oft noch schlechter fühlen.
Eine mögliche Begründung dafür könnte sein: Weil die Selbstaffirmationen so extrem vom eigenen negativen Selbstbild abweichen, wird der große Abstand zwischen dem, wie sich eine Person fühlt, und wie sie gerne wäre besonders intensiv wahrgenommen.
Das heißt: Wer unter einem geringen SWG leidet, kommt sich nach solchen Übungen nicht selten erst recht als Versager vor. Selbstaffirmationen sind nur hilfreich, wenn sie auf tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten und Eigenschaften aufbauen, handlungsorientiert sind und sich auf konkrete Wenn-dann-Situationen beziehen.
Ein Beispiel: 
„Wenn mich jemand kränkt, darf und werde ich ihm sagen, was mich ärgert.“

Inwiefern erhöhen Anerkennung, Lob, Komplimente, Erfolge das SWG?

lobEin Selbstwertgefühl, das von Leistungen und Erfolgen abhängt,  bezeichnet man als „kontingent“ (griech. „etwas, was möglich ist“). Das kontingente  SWG hängt von der Bestätigung und Bekräftigung ab, die ein Mensch von anderen erhält, und zwar in den Bereichen, die für sein  Selbstbewusstsein von  Bedeutung sind. Einschlägige Untersuchungen (Jennifer Crocker, University of Michigan)  haben gezeigt, dass Erfolge das SWG zwar kurzfristig erhöhen, die Wirkung ist jedoch nicht von Dauer.  
Je „kontingenter“ das Selbstwertgefühl eines Menschen ist, das heißt je stärker es von seinen Leistungen und Erfolgen abhängt, desto größer ist auch der Rückschlag, wenn solche Leistungen nicht mehr gelingen. Crockers Untersuchungen haben weiterhin ergeben, dass Menschen mit einem „kontingenten Selbstwert“  mit Akribie Situationen vermeiden, in denen sie auch nur einen kleinen Einbruch ihrer Selbsteinschätzung befürchten müssten.

Zusammenfassend lässt sich – wissenschaftlich belegt - feststellen, dass weder Selbstbekräftigung, noch das Streben nach Erfolg und Anerkennung nachhaltig wirksam gegen SWG-Defizite helfen. 
Faktum ist, dass ein geringes Selbstwertgefühl  Menschen dazu bringt, nach immer weiteren Beweisen für ihren (empfundenen) geringen Selbstwert zu suchen.
Mittel der Wahl für Veränderungen der inneren Muster des Selbstzweifels sind Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie, zum Beispiel:
Gedankenstopp, gezielte Visualisierungen, Reframings (= ein Problem aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten).  

Im Grunde gibt es nur einen verlässlichen Weg zu innerer Stärke:

Selbstakzeptanz

„So bin ich – und das ist gut so!“ (Ursula Nuber)




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