Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

Meinungen und Artikel zu Bildung & Weiterbildung

Der dunkle Faktor der Persönlichkeit

Ulm, November 2018

Was hat es mit der „dunklen Seite des Menschen“ auf sich? Betrachtet man das Weltgeschehen, so könnte man schließen, dass aktuell die dunkle Seite der menschlichen Natur immer stärker in den Vordergrund tritt. 

Eine Arbeitsgruppe von Psychologen an der auch Forscher aus Ulm beteiligt sind, ist dieser Frage nachgegangen: Egoisten, Machiavellisten, Narzissten, Psychopathen und Sadisten haben mehr gemeinsam, als sie trennt. Den Forschern gelang es, viele problematische Persönlichkeitseigenschaften auf ein grundlegendes Prinzip zurückzuführen. Sie nannten dies den „dark factor“ (D-Faktor) der Persönlichkeit.

Bei ihren Analysen haben die Wissenschaftler neun Persönlichkeitseigenschaften untersucht: Egoismus, Gehässigkeit, Machiavellismus, moralische Enthemmung, Narzissmus, Psychopathie, Sadismus, Selbstbezogenheit und übertriebenes Anspruchsdenken. Sie fanden heraus, dass sich praktisch alle diese Eigenschaften auf den „D-Faktor“ als dunklen Persönlichkeitskern zurückführen lassen. So kann man sagen, dass etwa Menschen mit einer hohen Narzissmus-Tendenz mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgeprägte machiavellistische und psychopatische Persönlichkeitszüge zeigen. Außerdem ist bei Menschen mit einem starken D-Faktor statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit hoch, unsozial, kriminell oder gewalttätig zu werden.

Die mehr als 2500 Studienteilnehmer wurden mit einem umfangreichen Fragenkatalog konfrontiert, der Aufschluss über besondere Persönlichkeitszüge geben sollte. Außerdem wurden Verhaltensexperimente durchgeführt, wie das so genannte „Diktatorspiel“. Bei diesem Test für egoistisches, beziehungsweise altruistisches Verhalten können die Teilnehmer Geld an sich selbst und unbekannte Mitspieler verteilen. In einem anderen Experiment hatten die Probanden die Gelegenheit, durch aktives Lügen zusätzlichen Profit zu machen.

 „Kernbestandteil dieses dunklen Faktors der Persönlichkeit ist ein übertriebener Egoismus, der negative Auswirkungen auf andere oder die Gesellschaft im Allgemeinen hat. Dieser wird begleitet von Überzeugungen, die Schuldgefühle, Gewissensbisse und moralische Skrupel verhindern", erklärt Professor Moshagen von der Universität Ulm.

Ein hoher D-Faktor entspricht einer extremen Form der individuellen Nutzenmaximierung, die sprichwörtlich über Leichen geht; also einen Schaden für andere in Kauf nimmt oder sogar beabsichtigt. Damit einher geht die Neigung, das eigene Verhalten vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen. Der D-Faktor ist so etwas wie ein dunkler gemeinsamer Nenner –  Menschen mit einem hohen Wert neigen stärker zum Regelverstoß.

Die Forscher sehen den D-Faktor auch als Analogie zum „G-Faktor (general factor of intelligence)“ – des berühmten britischen Psychologen C. Spearman. Er fand, dass Menschen, die gute Ergebnisse in einer bestimmten Form von Intelligenztests zeigen, auch bei anderen Arten von Intelligenztests gut abschneiden. Beim D-Faktor heißt das umgekehrt, dass ein hoher Wert sich in ganz verschiedenen problematischen Verhaltensweisen und Persönlichkeiten äußern kann. „Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass wenn ein Chef genüsslich seine Mitarbeiter herunterputzt, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er auch seine Geschäftspartner ausnutzt, Steuern hinterzieht oder seine Frau betrügt", erläutert Prof. Moshagen.

Den eigenen dunklen Kern bestimmen kann jeder über einen kostenlosen D-Faktor-Test im Internet.: https://qst.darkfactor.org/

 

Literaturhinweis:

Moshagen, M., Hilbig, B. E., Zettler, I.: The Dark Core of Personality. In: Psychological Review, Vol 125(5), Oct 2018, 656-688

   
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