Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Gibt es Möglichkeiten zur Stärkung der eigenen Willenskraft (Volition)? 

A:   Ausgeprägte Eigenschaften willensstarker Menschen sind:  Entschlossenheit, Fokusierungs- fähigkeit und Durchhaltevermögen. Willensstarke Menschen haben eine große Umsetzungskompetenz und sie  können ggf. alles einem einzigen Ziel unterordnen. Sie üben zieldienliche Verhaltensweisen solange ein, bis sie ihr Verhalten automatisiert haben. Sie glauben allen Widerständen zum Trotz an ihr Ziel und halten durch. Besonders willensstarke Menschen findet man zum Beispiel unter Extremsportlern, Wissenschaftlern und Künstlern. Sie konzentrieren sich oft sehr lange Zeit darauf, einen Wettkampf zu gewinnen, eine neue Theorie zu entwickeln, ein Kunstwerk zu schaffen.
marshmallowsIm Jahre 1968 führte der US-amerikanische Persönlichkeitspsychologe Walter Mischel mit Kindern ein Experiment in Sachen Belohnungsaufschub durch. Er stellte sie vor die Wahl: Eine kleine Belohnung jetzt, oder eine größere Belohnung später. Wie genial dieser Test war entdeckte Mischel erst Jahre danach. Das Experiment wurde als Marshmallow-Test weltbekannt.
Mischel machte den vierjährigen Kindern ein verlockendes Angebot: Er gab jedem Kind ein Marshmallow – eine vor allem in den USA beliebte Süßigkeit aus Zuckerschaum. Die Kinder hatten die Wahl: Sie konnten den Marshmallow entweder sofort verzehren oder warten, bis der Versuchsleiter wiederkommen würde – dann sollten sie zur Belohnung ein zweites Marshmallow erhalten.
Einige Kinder konnten der Versuchung nicht widerstehen und sie „verputzten“ den Marshmallow sofort, andere warteten artig -  unter Aufbietung all ihrer physischen und psychischen Kräfte – und sie bekamen am Ende den doppelten Lohn.
Nach etwa 14 Jahren kontaktierte Walter Mischel die ehemaligen Schüler erneut. Dabei zeigte es sich, dass der Marshmallow-Test erstaunliche Vorhersagekraft hatte. Die Probanden, die im Test die Disziplin aufgebracht hatten, auf die größere Belohnung zu warten und der Verlockung zu widerstehen, hatten zum Beispiel  wesentlich bessere Schulleistungen als ihre ungeduldigen Altersgenossen. Ghandi
Noch deutlicher zeigten sich die Unterschiede zwischen den Versuchsteilnehmern im Erwachsenenalter. Ein Forscherteam der Cornell University  kontaktierte  - etwa 40 Jahre nach dem Marshmallow-Versuch -  einige (59!) der insgesamt 500 Teilnehmer von Mischels Original-Experiment. Es wurde wiederum die Willensstärke der Teilnehmer getestet – diesmal allerdings nicht mehr mit Süßigkeiten.
Am schlechtesten – in Sachen Willensstärke – schnitten diejenigen Teilnehmer ab, die im Marshmallow-Test vor 40 Jahren gleich die erste Süßigkeit verzehrt hatten, anstatt auf die zweite zu warten.

Zusammenfassend kann man feststellen:
Die Willensstärke -  einer Versuchung zu widerstehen -  ist eine relativ stabile Eigenschaft:
Wer schon als Kind willensstark ist, weist diese Eigenschaft auch noch als Erwachsener auf und willensschwache Kinder verfügen auch im späteren Leben über weniger Selbstdisziplin. Erfolg
Die „Selbstbeherrschten“  hatten mehr Erfolg im Beruf, ein ausgeprägteres Selbstbewusstsein, intaktere soziale Beziehungen und sie waren weniger suchtanfällig. Impulskontrolle und Selbststeuerung sind – so folgerte Mischel entscheidende Fähigkeiten für ein erfolgreiches Leben – „egal, ob man nun Mafia-Boss werden will oder Gandhi“.
Es ist wohl so, dass die „genetische Apparatur“,  eine Tendenz zu niedriger oder hoher Willensstärke vorgibt. Andererseits hängt es jedoch vom Einzelnen ab, die Fähigkeit zur eigenen Selbstkontrolle zu verbessern.
Diesbezüglich aufschlussreich sind besonders jene Kinder, die im Test verschiedene Tricks einsetzten, um die 20 Minuten Belohnungsaufschub-Zeit zu überstehen. Sie haben gezeigt, was man tun muss, um den inneren Schweinehund zu überlisten und ein  Ziel zu erreichen.  
Die Kinder, die besonders erfolgreich waren, lenkten sich ab. Sie machten Musik oder suchten sich eine andere  Beschäftigung im Raum. Wenn die Belohnung sichtbar war, war es für die Kinder offenbar  besonders schwer, auf den zweiten Marshmallow zu warten. Leichter taten sich die Kinder, die sich vom Objekt der Begierde wegdrehten.
Die Testergebnisse lassen sich auf andere Lebensbereiche übertragen: Der zweite Marshmallow kann zum Beispiel für eine angestrebte Qualifikation oder eine Beförderung stehen, die mehr Zeit, Geduld und Arbeit erfordern oder für einen kleineren Bauch, für den man auf Bier, Wein, Süßigkeiten, … verzichten will. Täglich muss man sich mehrfach entscheiden, Dinge zu tun oder sie zu lassen.
Häufig hat man die Qual der Wahl zwischen einer willentlichen Anstrengung (bzw. einem Verzicht) und dem spontanen  Impuls zu Lustgewinn bzw.  Vermeidung von Anstrengung . Aus Erfahrung wissen wir, dass wir nicht all das schaffen, was wir uns zu tun oder zu lassen vornehmen. Das hat auch mit dem Unterschied zwischen Motivation und Willenskraft zu tun.
Motivation ist die Handlungsbereitschaft, Ziele zu verfolgen und Wille ist die Kraft, unsere Absichten in die Tat umzusetzen. Unsere Motivation ist  in aller Regel größer als unsere Willenskraft.
Unsere Umgebung (Werbung, TV, Internet,…) ist mit Sicherheit nicht ausgesprochen belohnungsaufschubfreundlich. Jedoch -  positiv ausgedrückt -  leben wir in einer Welt, die für unsere Willenskraft  ein prima Trainingsfeld darstellt.

Vielleicht denken Sie -   in diesem Zusammenhang -  ab und an mal an ein Wort von Martin Heidegger:

Verzicht nimmt nicht, Verzicht gibt.“

Körper-Haltung bewahren  
Beeinflusst ein aufrechter Gang die Stimmung?
Erhöht er gar die Merkfähigkeit?

Lesen Sie hierzu den Artikel in Zeit-Online

 

 



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